Auch beim Oktoberfest in Wien: Wirt verlangt 1.000 Euro Kaution von Kellnerinnen – Servicekräfte sollen als Zwischenhändler auftreten
(Wien, 15. September 2013) Ein Unternehmen aus Niederösterreich, das ein Gastrozelt auf dem Wiener Oktoberfest, der „Wiener Wiesn“ (19. September bis 06. Oktober 2013), betreibt, verlangt von seinen MitarbeiterInnen vor Dienstantritt 1.000 Euro Kaution. „Hier wurde totes Recht aus dem Ständestaat aus der Mottenkiste geholt. Das hat mit einem seriösen Dienstverhältnis nichts zu tun“, kommentierte Doris Rauscher-Kalod, Expertin für Arbeitsrecht bei der Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ).
Der Dienstvertrag, der der AKNÖ vorliegt, beinhaltet eine Reihe weiterer unfairer Klauseln: So müssen die KellnerInnen Getränke und Speisen zuerst vom Dienstgeber einkaufen und anschließend an die Wies´n-Gäste weiterverkaufen.
Die Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis soll dann den Monatslohn ergeben. Rauscher-Kalod: „Es gibt keinen Kollektivvertrag, der Gastronomiearbeiter zu Subunternehmer macht. Diese Vertragskonstruktion bricht alle Regeln zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn.“
Noch eine Bestimmung löst bei den AKNÖ-ArbeitsrechtsexpertInnen Kopfschütteln aus: Das Fest auf der Wiener Praterwiese dauert 16 Tage, anschließend verpflichten sich die Beschäftigten „in allen bestehenden und künftigen Betriebsstätten des Arbeitgebers“ zu arbeiten.
Das Unternehmen ist die Zum Ludwig GmbH. Diese ließ über die Veranstalter der Wiener Wiesn erklären: Der Arbeitsvertrag basiere zu 80 Prozent auf dem Musterdienstvertrag der Wirtschaftskammer Österreich. Die restlichen 20 Prozent der Bestimmungen seien von der WKO geprüft worden.
“Das angesprochene Jeton-System entspricht jenem des Münchner Oktoberfestes – dort wird dies seit Jahrzehnten so gehandhabt”, so die Stellungnahme. Dabei kaufen Kellner Jetons, die Bargeld-Charakter haben. Diese Jetons werden vom Kellner an den Gast weiterverkauft. Die Differenz, die sich dabei ergibt (da der Arbeitnehmer die Jetons günstiger bekommt), gehört dem Arbeitnehmer. “Das System entspricht einer erfolgsabhängigen Entlohnung, welche laut in Österreich gültigem Kollektiv-Vertrag ‘Lohnordnung/Prozentanteile’ rechtskonform ist”, wird mitgeteilt. Der Arbeitnehmer erhalten auf jeden Fall den gesetzlichen Minestlohnt, wird betont.
Und weiter: “Die Kaution, die der Gastronom von den MitarbeiterInnen einnimmt, gilt dabei als Sicherheit für die Jetons, die Bargeld-Charakter besitzen, sowie für das Wechselgeld, das die MitarbeiterInnen erhalten. Auch dieses System entspricht jenem des Oktoberfests in München, mit dem Unterschied, dass dort bis zu 2.500 Euro Kaution verlangt werden.”
Die kritisierte Klausel zu den Betriebsstätte habe folgenden Hintergrund: “Auch dieser Punkt entspricht den WKO Musterverträgen und hat den Sinn, bei eventueller kurzfristiger Verlegung des Dienstortes durch den Dienstgeber aufgrund von unvorhersehbaren Ursachen (zb.: Naturkatastrophen auf der Kaiserwiese), die ein Abhalten des WWF auf der geplanten Veranstaltungsfläche verhindern, sicherzustellen, dass die MitarbeiterInnen für das Wiener Wiesn-Fest arbeiten werden, auch wenn dieses kurzfristig an einem anderen Dienstort stattfinden sollte.”
Die Wiener Wiesn teilte auch mit, dass es seit 2012 keine einzige Beschwerde bei der Arbeiterkammer gegeben habe. Zudem seien rund 70 Prozent des Teams aus dem Vorjahr wieder dabei.
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