Verlieren Köche ihre Jobs bei der Digitalisierung? Die Folgen der Automatisierung in Hotellerie und Gastronomie sind unabsehbar und bietet auch neue Freiräume für mehr Service
Hamburg, 28. Oktober 2016 – Britische Wissenschaftler haben untersucht, mit welcher Wahrscheinlichkeit Tätigkeiten von intelligenten Maschinen übernommen werden: Köche oder Finanzierungsberater auf jeden Fall darüber Gedanken machen (96 bzw. 98 Prozent), so ihr Fazit.
Köche und Finanzierungsberater sind für Arbeitsforscher die Favoriten – wenn es darum geht, in einer digitalen Berufswelt den Job zu verlieren. Das haben Wissenschaftler der Universität Oxford herausgefunden. Wie lange wird es den eigenen Beruf in einer digitalen Welt, in einer Industrie 4.0 noch geben? Welche Tätigkeitsfelder werden der Digitalisierung zum Opfer fallen? Dazu sendet der SWR am 3. November das TV-Wissensmagazin “Odysso” (22 Uhr).
In der Tat schreitet die Automatisierung gerade in den Profiküchen stark voran. Längst können hochentwickelte Gargeräte wie von Rational oder Frima Convenience- und Rohwaren nahezu selbsttätig zubereiten. In der Gemeinschaftsverpflegung ist die Bedienung der Geräte längst zu einer Aufgabe für angelernte Hilfskräfte geworden; die Zahl der ausgebildeten Köche in Großküchen nimmt seit Jahren ab. GN-Bleche ein- und auszuschieben kann in Zukunft von Roboterarmen übernommen werden. Lediglich komplexe Arbeitsvorgänge wie Teller anrichten und ausgeben bleibt vorerst eine manuelle Tätigkeiten und damit eine humane Domäne.
Der weltweite Erfolg der Thermomix-Kochautomaten sind Beispiel für die stark fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung der Küchen. Das Vorwerk-Erfolgsmodell hat längst Einzug in Profiküchen gehalten; “Sansibar”-König Herbert Seckler hat bereits zwei “Thermomix-Kochbücher” herausgebracht.
Noch etwas Zukunftsmusik, aber dafür ganz reale ist die Roboterküche von Moley Robotics: Zwei Roboterarme arbeiten – kameragesteuert – präzise und vollautomatisch, und das seit zwei Jahren. 2017 soll das System auf den Markt kommen. Schneiden, gießen, umrühren, schaben undsoweiter – alle typischen Bewegungsabläufe wurden detailliert nachgeahmt und eingespeichert. So entstand ein Grundgerüst für alle relevanten Tätigkeiten in einer Küche und sollen – je nach Kochprogramm – als mehr oder mehr flüssige Arbeitsabläufe abgerufen werden können. Ob die “Roboküche” tatsächlich auch die Performance von eingespielten Küchenteams erreicht, bleibt abzuwarten.
Dass jedoch Automatisierungen menschliche Tätigkeiten in Hotellerie und Gastronomie ablösen, zeigt seit Jahren die “Rofobox”. Der Container-große Roboter (“Rofobox” steht für “Robot Folding Box”) bricht Servietten, wickelt Besteck ein und bindet Banderolen herum, beständig, unablässig, hochpräzise und hygienisch einwandfrei. Stundenlanges Falten – beliebter Arbeitsauftrag für Azubis – gehört der Vergangenheit ein. Die “Rofobox” wurde vom Estrel Hotel Berlin ausgiebig getestet und ist nun in Großwäschereien im Einsatz.
Maschinen ersetzen Menschen – für etliche eine Schreckensvorstellung, aber Realität: Im US-Wahlkampf haben sog. Social Bots längst die Lufthoheit im digitalen Gezwitschere übernommen. Und in Hotels können Geschäftsreisende nun auch per HRS-App automatisch einchecken, wie bei Fluggesellschaften. Vorreiter dabei war das erste Ruby Hotel in Wien: Zusammen mit Hetras hatte man ein System zum Quick-Check-in und Schließsystem für Smartphones entwickelt; langes Anstehen an der Rezeption gibt es nicht mehr. Die Mitarbeiter an der Rezeption – besser: Bartresen mit PMS-Bildschirm – gewinnen so Arbeitszeit für echten Service, beispielsweise dem Gast frühzeitig ein Taxi zu bestellen oder sich um seine etwas angeschlagene Gesundheit zu kümmern. Stupide Dialoge wie “Wie war Ihre Anreise” von FO-lern, die dabei kaum den Blick von den unsäglich komplizierten Buchungsmasken der überholten Hotel-PMS heben können, waren seit jeher Teil der Servicewüste und können nun endlich und ernsthaft abgelöst werden.
Brave new world.
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