Polizei ermittelt mit Gästedaten der Gastronomie: Absolute Ausnahme?
Berlin, 03. August 2020 – Ärger in ganz Deutschland: Für Ermittlungen soll die Polizei auch auf Gästedaten der Gastronomie zurückgreifen, lauten der Vorwurf. Ja, dies sei legal, hieß es zuletzt von der Baden-Württembergischen Landesregierung. Und Bayerns Innenminister Herrmann bekennt, dies sei “absolute Ausnahme”.
Der Dehoga hat die Landesregierungen aufgefordert, die Verwendung der bei Restaurantbesuchen notwendigen Gästedaten durch die Polizei klarzustellen. “Das ist hochgradig sensibel”, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der Düsseldorfer “Rheinischen Post”. Die Gaststätten sind verpflichtet, von ihren Gästen persönliche Daten zu sammeln, damit die Gesundheitsämter mit deren Hilfe im Fall einer Covid-19-Erkrankung weitere potenziell infizierte Personen identifizieren können. Nach Vorfällen in Hamburg und München, bei denen die Polizei die Gästedaten auch zur Strafverfolgung nutzte, verlangt der Verband eine eindeutige Regelung in den Corona-Verordnungen der Länder. “Da muss dringend für Klarheit gesorgt werden”, sagte Hartges.
Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) verteidigt die Verwendung von Corona-Kontaktlisten für die polizeiliche Strafverfolgung in Ausnahmefällen. Im ARD-Mittagsmagazin sagte er: “Es handelt sich um schwere Straftaten, bei denen das zur Ermittlung des Täters und für die Aufklärung der Straftat sinnvoll und richtig ist.”
Befürchtungen, dass sich aus Angst vor polizeilicher Ahndung bald kaum mehr jemand die Gästelisten einträgt, hält Hermann für “völlig unbegründet. Es muss ja irgendeinen sinnvollen Zusammenhang mit der Straftat geben.” Auf Nachfrage betonte Herrmann, dass “nur ein Dutzend Mal in ganz Bayern davon gebraucht gemacht worden ist. Das ist eine absolute Ausnahme nach den strengen Vorgaben der Strafprozessordnung. Es wird keineswegs von der Polizei beliebig darauf zugegriffen.”
Bis auf Sachsen schreiben alle Bundesländer eine Registrierungspflicht in Restaurants und Cafés vor – ausdrücklich zu dem Zweck, um Corona-Infektionsketten nachzuverfolgen. Auf diese Zweckbindung beruft sich Baden-Württemberg und schließt eine weitere Verwendung der Daten für polizeiliche Ermittlungen aus. Andere Bundesländer wie Bayern, Hamburg oder Rheinland-Pfalz erlauben es dagegen, die Daten auch für die Strafverfolgung zu nutzen.
Die Polizei darf in bestimmten Fällen die Kontaktdaten auswerten, die Bürger wegen Corona angeben müssen. Die Strafprozessordnung erlaubt dies. Das hat das rheinland-pfälzische Justizministerium dem SWR bestätigt. Die Polizei könne im Einzelfall im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen gehalten sein, zum Zwecke der Ermittlung von Zeugen oder Tatverdächtigen auf solche Listen zurückzugreifen, teilte das Ministerium mit. Voraussetzung sei lediglich, dass es ein Ermittlungsverfahren gebe. Das Gesetz unterscheide hier nicht nach der Schwere der Straftat. Es könne sich um Ermittlungen wegen Mordes, aber auch wegen Diebstahls, Betrugs oder Hausfriedenbruchs handeln.
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