ITB wird papierlos – Digitalisierung soll mehr Umweltschutz bringen
Ein ungehöriger Zwischenruf von Carsten Hennig
Die Digitalisierung wirft ihre Schatten voraus. Wenige Tage vor der weltgrößten Reisemesse in Berlin zeigt eine Eilverordnung des Berliner Senats, was Technologien in Sachen Nachhaltigkeit bedeuten. Die ITB wird papierlos.
Stop! – Bevor Sie jetzt denken, was ist das für eine „Fake News“, die „Ungehörigen Zwischenrufe“ dieses Autors sind düstere Visionen, ergo Hirngespinste, aber stets mit einem wahren Kern. Auflösung unten stehend.
Ab 1. März soll eine eilig ausgefertigte Sonderverordnung des Berliner Wirtschaftssenat gelten: Auf dem Messegelände seien papierne Aushändigungen und hochauflagige Druckwerke zur Verteidigung untersagt. So sollen weitere Müllberge an Flyers und Werbeschriften verhindert werden. In einem Tweet kündigte der Senat an: „Papiermüll auf #Messe #Berlin vertrieben – Nachhaltigkeit wird Kult“. Tatsächlich gelte die Verordnung ab März und stelle die Aussteller vor Herausforderungen, heißt es aus Senatskreisen. Zuwiderhandlungen sollen mit Bußgeldern bis hin zum Messeverbot geahndet werden, wird hinter vorgehaltener Hand gewarnt. Entsprechende Anweisungen an an „Umweltpolizisten“ des Stadtstaates seien in Vorbereitung.
Ein digitales Rundschreiben der Messeleitung schreckte die rund 10.000 ITB-Aussteller auf: Hochwertige Magazine und Kataloge sollen nunmehr als Auslage am Stand liegen, von Periodika zur Verteilung möge man dringend absehen. zwar sei die Anlieferung von Druckwerken zum Messestand noch gestattet, doch eine leichtfertige Herausgabe möge man unter allen Umständen vermeiden. Zur Begründung wurde eine Hochrechnung aus den vergangenen Jahren angefügt: An Papiermüll seien mehrere dutzend Tonnen angefallen, dagegen stehe der Stromverbrauch für digitale Verbreitung von Informationen in keinem Verhältnis zu den Entsorgungsaufwendungen.
Das Ansinnen chinesischer Hotel- und Reiseanbieter, nun massenhaft Prepaid-Handys und USB-Sticks mit Fotos und Infos zu verteilen – dies sind ja keine Druckwerke – mochte man nicht zustimmen, fand aber kein überzeugendes Gegenargument.
So erwarten Beobachter mit langjähriger ITB-Erfahrung einerseits müllfreie Messehallen (was zu begrüßen sei, hieß es, da viele Messebesucher meist ihre Tüten mit gesammelten Prospekten irgendwo liegen ließen), andererseits werde das Wlan-Netz auf der Messe infolge übermäßiger Dateiübertragungen so arg strapaziert werden, dass selbst Verabredungen über beliebte Messenger wie WhatsApp fehlschlagen könnten; was wiederum dem Big Business der Touristik abträglich wäre. Schon werde erste, bedeutende Businessmeetings in Hotellobbies anberaumt, um a) Wlan-Vernbindung und b) Papier-Unterlagen austauschen zu können. Die ITB könnte bei einem hehren Ansinnen für mehr Umweltschutz marginalisiert werden, warnen politische Gegner der grünen Pläne des Senats.
Die strikte Orientierung zur Nachhaltigkeit treibt derweil weitere Blüten: Nach dem Vorbild aus Barcelona, weitere Hotelneubauten zu verbieten, wird im Senat ernsthaft über eine entsprechende Verordnung für die Hauptstadt-Hotellerie nachgedacht.
Ohnehin sehen Tourismusexperten den Standort Berlin in Gefahr: Längst gebe es infolge der weiteren Verzögerungen beim neuen Hauptstadt-Flughafen eine „BER-Klausel“ in den Verträgen für Hotelinvestitionen: Ein Sonderkündigungsrecht sei bei weiteren Hinausschiebungen des Eröffnungsdatums normal, heißt es.
Über die „Ungehörigen Zwischenrufe“: Carsten Hennig, Jahrgang 1970, veröffentlicht unregelmäßig satirische Kommentare auf Marktentwicklungen. Dabei liegt ein wahrer Kern zugrunde – in diesem Fall die Planung der Berliner Umweltsenatorin Ramona Pop, die ein Konzept für „stadtverträglichen und nachhaltigen Tourismus“ ankündigte (am 22. Februar 2017 bei einer Pressekonferenz von Visit Berlin). Die Ausführungen sind rein spekulativer Natur, aber keineswegs abstrus. Den Autor erreichen Sie per eMail: carsten@hospitalityleaders.com
Hier die vergangenen „Ungehörigen Zwischenrufe“:
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