Chatbots – Die (un)heimliche nächste Macht will unsere Kommunikation übernehmen
Ein ungehöriger Zwischenruf von Carsten Hennig
Zuallererst: Kein Respekt vor Chatbots! Die Systeme sind anfangs so anspruchsvoll wie einem Kleinkind das Sprechen beizubringen… da ist mehr Geduld als rhetorisches Können gefragt. Und auch bei ausgereifteren Systemen weiß der geneigte Hausmann, wenn er liebevoll „Alexa“ schnurrt, sich schnell vor dem Knuff seiner ihn hoffentlich noch liebenden Ehefrau zu ducken.
Chatbots sind Alltag. Was noch vor kurzem der nervige Anrufcomputer mit enervierender Gleichgültigkeit bei welchem Serviceproblem auch immer war (man konnte seine Wut ungestraft herausschreien und den Bot gefahrlos wüst beschimpfen, herrlich!), ist heute die fortgeschrittene digitale Trivialisierung der Servicequalität. Dumm, aber hilfreich – so lässt sich der derzeitige Entwicklungsstand der Kommunikationssoftware kategorisieren. Was wir humane Multitasker – langsam, aber vielfältig – nicht dem Botcomputer – schnell, aber einfältig – beibringen, kann er auch nicht. Dabei lassen sich Chatbots längst mit Baukastensystemen wie von Chatfuel oder IBM’s „Watson“ selbst erstellen, quasi im technischen Alleingang von IT-Laien, die jedoch zwei zusammenhängende Sätze frei reden können sollten, um Sprachvermögen in Suchabfragen transformieren zu vermögen.
Bislang sind Chatbots eher die Altäre einer digitalen Ur-Religion und deren Diktion festgelegt wie die Zeremonie einer Splittersekte: Wer eine Suchanfrage nicht technik-konform formuliert, erhält keine Antwort. „Das weiß ich nicht“ oder einfach „…“ wird die wohl häufigste Chatbot-Antwort unserer Tage sein.
Chatbots, das ist wie Autofahren: Jeder tut es und meint, alles davon zu verstehen. Was kaum jemanden klar, dass wir in der noch ersten Revolutionsstufe der Digitalisierung es allenfalls mit Bot-Kleinkindern zu tun haben. Künstliche Kommunikation ist von freier Intelligenz noch so weit entfernt, wie ein ungepflegter IT-Nerd von einer angehimmelten Vollbusen-Blondine. Was aber nichts ausmacht: KI zieht dennoch in alle Lebenslagen ein, sei es mit Amazons „Echo“ („Call me Alexa“) in Hotelzimmer und Autos oder Apple’s „Siri“.
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Chatbots sind die neuen Apps from HOTELIERTV on Vimeo.
Für einen Chat mit einem Bot wird bislang meist der Facebook-Messenger ge- und missbraucht. Accor testete im Frühjahr bereits einen virtuellen Concierge für Hotelgäste (https://www.messenger.com/t/mercuregb ) – mit mäßigem Erfolg. Die vielfältigen Wünsche und Erwartungen können meist nicht erfüllt werden. Gerade erst startete Marriott mit dem „Aloft Chatbotlr“ einen neuen Service, der sowohl bei Facebook, Slack, WeChat und Google Assistant dem Gast ein paar Fingerübungen abnehmen soll. Der ach-so-kluge Bot kann Hotels suchen, Fragen nach Öffnungszeiten beantworten und mehr oder weniger interessante Nachrichten heraussuchen. Mehr oder weniger hilfreich.
Chatbots dieser frühen Entwicklungsstufe gehören zum Zeitgeist und sind meist nur Ersatz für manuelles Googeln. Soweit ist es schon gekommen: Um das Internet für uns die Arbeit zu erledigen, muss man nicht mal mehr einen Finger rühren, mag sich mancher Kritiker jetzt denken. Doch gemach, gemach: Sinnvolle Hilfestellungen sind Nachrichten-Bots wie von der „FAZ“ oder dem jungen Newsdienst „Novi“ allemal. Nachrichten heiß und frisch zurvorkommend serviert – das kannten bis dato allemal Nutznießer teuer bezahlter Butler im einem Luxushotel oder Privatschloss.
Marketingstrategen haben längst erkannt, welche sog. FAQ sich elegant auf die garantiert streikfernen und Betriebsrats-freien neuen Mitarbeiter übertragen lassen. Ein Chatbot murrt auch nicht, zum 300. Mal eine Nachfrage zu beantworten und macht mühelos Überstunden. Feedbackfunktionen, Terminvergaben und allgemeine Informationen – das ist das Arbeitspensum eines guten, freundlichen Bots. Im IT-Jargon kann dieser „First-Level-Customer-Support“ ohnehin ungeliebte Arbeitsplätze sofort ersetzen. Passende Reiseversicherungen zur Flugbuchung oder ein dringend benötigtes Taxi rasch zu Stelle – Chatbots können die bei Gästen wirklich benötigten Services sinnvoll erweitern. Daran gewöhnen sich die Menschen schon noch.
Interessant ist die Frage, was ein künstlicher Kommunikator zu leisten hat und wann (und wie) ein humaner Mitarbeiter ins Geschehen eingreifen sollte. 20 Prozent der Unterhaltungen, die im Rahmen des Kundenservice geführt werden, können heute vollständig automatisiert werden. 50 Prozent werden von einem Mitarbeiter unterstützt, der die vom Roboter vorgeschlagenen Antworten bestätigt oder korrigiert, und 30 Prozent werden ausschließlich von Mitarbeitern geführt, so eine Faustformel von IT-Experten.
Glaubt man neuesten Umfragen, wollen schon mehr als die Hälfte lieber erst einmal mit einem Bot zu tun haben, als minutenlang in einer Warteschleife zu hängen. Bei stets wiederkehrenden Fragen nach Öffnungszeiten von Restaurants, Spa etc. macht dies durchaus Sinn.
Versierte „Bot Builder“ raten jedenfalls dazu: „In jedem Fall sollten Sie sich bewusst sein, dass ein Chatbot in absehbarer Zeit nicht Ihren Kundenservice ersetzen wird. Zunächst kann er Ihnen dabei helfen, auf Fragen zu einem bestimmten Thema zu antworten. Sorgen Sie dafür, dass er die entsprechende Aufgabe umfassend erfüllt, bevor Sie gleichzeitig seine technische Komplexität und seine Kompetenzen ausbauen!“
Zum Autor: Carsten Hennig, Jahrgang 1970, widmet sich seit 20 Jahren der Tophotellerie und Spitzengastronomie als genauer Beobachter. Seine „ungehörigen Zwischenrufe“ sorgen immer wieder für Kopfschütteln, harschen Widerspruch und noch besser: lebhafte Debatten. Stets verbergen die visionären Auslassungen einen wahren Kern, den aufmerksame Leser erkennen und daran ihre eigenen Folgerungen entspinnen.
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